Karriereträume mit Kindern verwirklichen
Apr 07, 2024Wusstest du, dass vier von fünf Frauen Mütter werden? Dabei nutzen sie im Schnitt fast anderthalb Jahre Elternzeit, um sich der Familie zu widmen und schränken danach oft ihre Erwerbstätigkeit ein. Zwei Drittel der Mütter landen in Teilzeitpositionen, während Väter in der Regel ihre Vollzeitstellen beibehalten.
Doch viele Frauen möchten auch mit Kindern ihre Karriereträume verwirklichen. Berufliche Entfaltung und finanzielle Unabhängigkeit sind ihnen genauso wichtig, wie eine gute Mutter für ihre Kinder zu sein. Das ist in Deutschland immer noch eine Herausforderung, doch in diesen 2TOP Insights zeigen wir dir, wie du es möglich machen kannst und wie moderne Unternehmen dich dabei unterstützen können.
Inside Insights: Auf den Punkt gebracht
Beruf und Familie in Einklang zu bringen, mag eine Herausforderung sein. Mit diesen vier festen Grundpfeilern gelingt es.
Du: Kenne deine Prioritäten und Ziele. Eine klare Vision für deine Karriere und dein Privatleben hilft, Entscheidungen ausgerichtet auf das zu treffen, was dir - und nicht deinem Umfeld - wirklich wichtig ist.
Deine Partnerschaft: Kommunikation und gegenseitige Unterstützung sind entscheidend. Sprecht offen über eure Rollen und teilt euch Verantwortungen, um sicherzustellen, dass ihr beide eure beruflichen und persönlichen Bedürfnisse erfüllen könnt.
Dein Umfeld: Baue ein unterstützendes Netzwerk auf. Freunde, Familie und professionelle Netzwerke können wertvolle Ressourcen und emotionale Unterstützung bieten. Fokussiere dich darauf, was für dich und deine Kernfamilie funktioniert und nicht, was "man" so macht.
Dein Unternehmen: Erkundige dich proaktiv nach flexiblen Arbeitsmodellen und Unterstützung für Eltern. Spreche deine Pläne und Erwartungen offen an und lass dich durch ein "Das haben wir schon immer so gemacht" nicht aus der Fassung bringen.
Behind the Scenes: Expert*innen-Perspektiven
Als promovierte Expertin im Bereich Parental Transition Coaching verbindet Dr. Christine Vitzthum fundierte Forschungsergebnisse mit langjähriger Coaching-Praxis. Ihre eigenen Erfahrungen als Mutter in einer herausfordernden Finanzkarriere sowie als Geschäftsführerin von 2TOP fließen dabei in ihre Arbeit ein. Hier unser Interview mit ihr:
Liebe Christine, was sind die spezifischen Herausforderungen, denen Frauen in Führungspositionen begegnen, wenn sie Mütter werden?
Stell dir vor, du stehst an der Schwelle zu einer der größten Veränderungen deines Lebens – der Mutterschaft. Gleichzeitig bist du eine erfolgreiche Führungskraft, bereit, deine Karriere auf das nächste Level zu bringen. Mit Ankündigung der Schwangerschaft ändert sich nicht nur die Selbstwahrnehmung vieler Frauen, sondern auch die Art, wie ihr berufliches Umfeld und die Gesellschaft sie sieht. Plötzlich treten stereotype Rollenbilder in den Vordergrund. Im Coaching erlebe ich häufig, dass ambitionierte Pläne für den beruflichen Wiedereinstieg durch vermeintlich gut gemeinte, aber demotivierende Kommentare wie: „Kümmere dich erst mal um dein Kind, dann sehen wir weiter“ ausgebremst werden. Zu oft bekommt man den „Mutti-Stempel“, fühlt sich wie auf ein Abstellgleis geschoben - das fördert natürlich die Angst vor einer Karrierestagnation.
Zusätzlich entsteht ein persönlicher Druck, den Idealbildern einer „guten Mutter“ gerecht zu werden, was oft fälschlicherweise mit einer hohen zeitlichen Verfügarbeit gleichgesetzt wird. Eine höhere Arbeitsstundenzahl oder gar Vollzeitarbeit scheint dem zu widersprechen. Natürlich brauche ich Zeit, mich zu kümmern – aber: in meiner langjährigen Arbeit als Coach mit jungen Eltern und meiner Forschung zu diesem Thema hat noch keine Frau gesagt, dass „gute Mutterschaft“ an der Anzahl der Stunden gemessen wird, die man zuhause verbringt. Der Unterschied zwischen Qualität und Quantität der Zeit mit den Kindern und der echten Präsenz, die man ihnen schenkt, wird schnell deutlich. Hier lohnt sich auch mal ein Blick in die europäischen Nachbarländer…
Und obwohl das Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten noch nie so vielfältig war wie heute, ist die Kinderbetreuung, besonders in Großstädten wie München, immer noch eine Herausforderung. Das staatliche Angebot ist oftmals unzulänglich und kann die Nachfrage von berufstätigen Eltern nicht immer decken. Das sollte jedoch kein Grund sein, berufliche Entwicklungen auf Eis zu legen. Stattdessen sind kreative Lösungen gefragt, um den Spagat zwischen Familie und Beruf zu meistern.
Hinzu kommt der Wunsch zu führen, aber nicht unter den bestehenden, oft veralteten Systembedingungen. Der Wunsch nach einem Wandel in der Arbeitskultur, weg von ständiger Verfügbarkeit und hin zu Ergebnisorientierung, wird immer lauter.
Obwohl es bereits viele Vorbilder und Netzwerke, wie z.B. Working Moms e.V. gibt, fühlen sich viele Frauen am Arbeitsplatz allein mit der Doppelrolle. Sichtbare Vorbilder im Unternehmen verdeutlichen, dass es machbar ist, Beruf und Familie zu vereinen. Es geht nicht um ein Entweder-oder, schwarz oder weiß, sondern um das erfolgreiche Managen beider Bereiche.
Wie können Unternehmen Eltern und insbesondere Mütter effektiv in deren beruflicher Entwicklung unterstützen?
Flexible Arbeitsarrangements wie Shared- oder Joint-Leadership, Homeoffice und flexible Arbeitszeiten sind bewährte Maßnahmen. Unternehmen wie SAP setzen sie erfolgreich um, um Eltern zu binden und Vielfalt in Führungspositionen zu fördern. Aber es geht nicht nur um Strukturen. Die Unternehmenskultur und der Umgang mit dem Thema Elternschaft in Führungspositionen sind entscheidend.
Umfassende Unterstützungsprogramme wie Kita-Plätze, Weiterbildungsmöglichkeiten, interne Netzwerke oder Mentoring sind genauso wichtig. Parental Transition Coaching hat sich als effektiv erwiesen, um ambitionierte Ziele zu erreichen und langfristige Pläne für die Karriereentwicklung umzusetzen. Solche Programme sparen nicht nur Kosten, sondern stärken auch die Diversität in höheren Managementebenen.
Gibt es dazu Forschung oder Erfahrungswerte?
Klar. Die Forschung bestätigt den Impact flexibler Arbeitsgestaltung und Diversity-Bemühungen. Flexibilität in Arbeitszeit und -ort sind häufig entscheidend, um Frauen im Berufsleben zu halten.
Und was mich freut: Immer mehr Unternehmen, die in DE&I investieren, sehen das nicht mehr nur als Tick Box Exercice, sondern als entscheidenden Faktor für ihren Erfolg in der Zukunft. Sie tun das Richtige UND machen ihr Unternehmen zukunftsfähig.
Innovative Konzepte wie das Parental Transition Coaching zeigen, wie wirkungsvoll solche Unterstützungsangebote sein können. Firmen, insbesondere in der UK, berichten, dass die Bindung ihrer Mitarbeiter*innen durch solche Coaching Programme um bis zu 20% verbessert wurde, die Beförderungsraten von Frauen enorm steigen und Millionen an Kosten eingespart werden, die sonst durch Fluktuation entstehen.
Ist ein Parental Transition Programm nur für Mütter geeignet oder sollte man es auch für Väter anbieten?
Na klar, ein Parental Transition Programm sollte definitiv auch für Väter zugänglich sein. Die Einbeziehung von Vätern verdeutlicht die gemeinsame Verantwortung in Familie und Beruf, hilft traditionelle Rollenbilder zu überwinden und unterstützt eine gerechtere Arbeitswelt für alle Eltern.
Insgesamt steht die Arbeitswelt vor der Aufgabe, sowohl Frauen als auch Männern in Führungspositionen die gleiche Unterstützung in ihrer Elternrolle zu bieten. Für mich ist eine Arbeitswelt, in der Karriere und Elternschaft Hand in Hand gehen, ein Ziel, für das sich dieses Engagement wirklich lohnt.
Front Stage: das sagt unser Role-Model
Als VP und Global HR Leader bei Airbus verkörpert Dr. Elvire Meier-Comte eine inspirierende Balance zwischen ihrer Rolle als Top-Executive und engagierter Mutter, wobei sie mit ihrer Expertise in Digitalisierung und Innovation den Weg für resilientere und vielfältigere Führungsstrukturen ebnet. Hier unser Gespräch mit ihr:
Liebe Elvire, du hast promoviert, du arbeitest seit fast 25 Jahren in internationalen Verantwortlichkeiten, hast Familie und bist auch noch ehrenamtlich vielfach engagiert. Wie schaffst du das alles?
Ich glaube, Teil der Erklärung war und ist, dass ich sehr darauf geachtet habe, strukturiert und mit Fokus zu arbeiten. Bereits im Studium, dann im Berufsleben, aber auch mit den Kindern. Als Französin ist es für mich normal, die ganze Familie zur Erziehung zu integrieren und nicht zu versuchen, als perfekte Mutter alles allein zu managen. Zusätzlich zu meinem Mann waren meine Eltern, mein Schwiegervater und meine Tante immer einsatzbereit, im Alltag oder während Geschäftsreisen. So brauchte ich mir keine Sorgen machen und meine Kinder konnten eine tolle Beziehung mit den Großeltern aufbauen. Als die Kinder älter wurden, hatten wir durchgehend Au-Pair Mädchen. Das fanden die Kinder toll, und ich hatte für den Haushalt auch mehr Unterstützung.
Hattest du eine Karriere mit Kindern von Anfang an geplant oder hat sie sich über die Zeit entwickelt?
Ich wollte immer arbeiten und Familie haben. Das kenne ich von meiner Mutter und Großmutter nicht anders. Meine Großmutter war eine Geschäftsfrau und war für ihre Zeit sehr emanzipiert. Es war für sie sehr wichtig, dass ihre Tochter und Enkeltochter finanziell unabhängig bleiben. Meine Schwiegermutter war auch immer berufstätig. Damit war es für meinen Mann selbstverständlich, dass wir beide arbeiten und Familie haben.
Was hast du dabei als besonders herausfordernd erlebt?
Das Gleichgewicht zwischen Karriere und Familie ist die größte Herausforderung. Meine Jobs haben mir immer sehr viel Spaß gemacht, und Grenzen zu setzen fand ich manchmal sehr schwierig.
Welche Kompromisse bist du eingegangen und warum?
Vor den Kindern war ich international sehr viel unterwegs und habe in Asien gelebt. Ich habe meine Karriere an die Lebenszyklen meiner Familie angepasst. Als wir dann Kinder bekommen haben und sie noch klein waren, habe ich eine Expertise aufgebaut und promoviert. Damit musste ich nicht zu viel international reisen und hatte mehr Flexibilität. Es war für einige Zeit ziemlich optimal aber dann habe ich wieder gespürt, dass ich Management-Verantwortung haben möchte. Der Schritt war dann nicht einfach, weil ich in der Expertenzeit wenig Personalverantwortung hatte.
Gab es Katalysatoren oder eine besondere Art der Unterstützung auf deinem Weg?
Ich habe immer mein Netzwerk gepflegt und Unterstützung von Top-Managern und Mentoren organisiert. Mein erster Chef und danach meine Mentoren haben mir vertraut und sind Risiken eingegangen, mich auf Positionen zu setzen, die mich weitergebracht haben. Ohne diese Sponsoren, ist es für Männer und Frauen schwierig in einer großen Organisation weiterzukommen.
Ich war auch immer in internen Communities (technisch oder Alumni) engagiert und habe Events, Aktivitäten, Leadership Trainings organisiert. Diese Netzwerke waren für mich die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln - ohne Leistungsdruck und mit Spielregeln, die viel offener waren, als in der klassischen Organisation. Ich konnte in diesem Umfeld neue Leute kennenlernen und auch andere Kompetenzen zeigen, die in meinem klassischen Job nicht sichtbar waren. Diese Communities haben mir auch sehr in der Wahrnehmung meines Leadership-Impacts geholfen. Im Top-Management sind die Spielregeln sehr hart und man wird ständig in Frage gestellt. Da kann das Selbstbewusstsein leicht ins Wanken kommen. Dank der Verbindungen hatte ich einen stabilen und sehr zuverlässigen Pool an Unterstützern um mich.
Was würdest du aus deiner Erfahrung als berufstätige Mutter jungen Frauen raten?
Es gibt drei wichtige Elemente:
1) sich sehr gut selbst kennen und Klarheit über den eigenen Purpose oder den North-Star im Leben haben (privat und beruflich),
2) eine Systemdenke entwickeln, um es beobachten, verstehen und somit damit spielen zu können. So kann man die Opferrolle vermeiden
3) nie aufgeben und Unterstützung holen, wenn ihr merkt, dass ihr nicht weiterkommt oder an eure Grenzen kommt. Ihr seid nicht allein!
Was rätst Du ihnen als HR-Verantwortliche?
Das gleiche. Der Unterschied ist nur, dass ich als HR mehr Impact für Frauen in Führungsposition haben kann. In der Karriereberatung, in Leadership-Trainings und im System / in der Organisation, weil ich Teil davon bin und eine Systemveränderung mit dem Top-Management zusammen treiben kann.
Take Away: Praktische Impulse für deinen Alltag
Wenn man es gewohnt ist, im Job immer 150% zu geben, stellt das Muttersein oft eine echte Umstellung dar. Plötzlich sind die Tage durch Kinderbetreuungszeiten getaktet, und die Zeit für die Arbeit wird knapper. Da rutscht man leicht in die Rechtfertigungsfalle.
Doch statt jedem ausführlich zu erklären, warum jetzt nicht der beste Zeitpunkt für dieses eine Meeting oder diese eine Aufgabe ist, kannst du deine Grenzen konstruktiv formulieren. Hier ein kleiner Guide, um genau das zu meistern.
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Selbstreflexion: Notiere Situationen, in denen du dich zu Rechtfertigungen verleitet fühlst. Was löst dies aus? Beispiel: "Es tut mir wirklich leid, die Kita macht gleich zu und ich war letzte Woche schon zu spät..."
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Lösungsorientierte Kommunikation: Formuliere klare, konstruktive Aussagen für typische Situationen. Statt Gründe für deine Grenzen auszuführen, konzentriere dich auf das, was möglich ist. Beispiel: "Ich bin morgen ab 8:30 Uhr wieder erreichbar." Dein Gegenüber interessiert es, wann er oder sie eine Lösung bekommt, nicht, warum es nicht klappt.
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Üben: Übe diese Art der Kommunikation mit Freunden, deinem*r Partner*in oder Familie, um Sicherheit zu gewinnen und auch in hektischen Situationen gelassen zu reagieren. Oft hilft auch ein optischer Anker, wie z.B. ein Post-It an deinem Bildschirm, der dich an die lösungsorientierte Kommunikation erinnert.
Und hier noch eine tolle Leseempfehlung die dir hilft, deine elterlichen Kompetzenen in den Führungsalltag zu übertragen - oder: was der Streit um den Bagger im Sandkasten mit Konfliktmanagement zu tun hat.
Leading Mothers von Anette Lippert.
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