Gleiches Geld für gleiche Arbeit – ist das bald das neue Normal?
Sep 01, 2024Die im Juni 2023 in Kraft getretene EU Entgelttransparenzrichtlinie wird 2026 in nationales Recht umgesetzt. Die ersten Berichte sind bereits 2027 fällig – und zwar für alle Unternehmen ab 150 Mitarbeitenden.
Unternehmen sind dazu verpflichtet, ihre Gehaltsstrukturen offenzulegen und Maßnahmen gegen Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern zu ergreifen.
Eines steht fest: Unternehmen, die proaktiv auf diese Herausforderung reagieren und gezielte Schritte zur Verringerung des Gender Pay Gaps unternehmen, werden nicht nur als Vorreiter in Sachen Chancengleichheit angesehen, sondern sind auch optimal auf die zukünftigen gesetzlichen Vorgaben vorbereitet.
Auf den Punkt gebracht
Was genau bedeutet diese Richtlinie nun für uns und für die Arbeitswelt?
1. Transparenz vor der Einstellung:
Unternehmen müssen zukünftige Mitarbeitende bereits vor Vertragsabschluss über das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne informieren. Wichtig dabei: Eine Gehaltsabfrage bei Bewerber*innen ist ab sofort unzulässig. Dies stellt sicher, dass frühere Gehälter keinen Einfluss auf das aktuelle Angebot haben und trägt dazu bei, dass insesondere Frauen nicht in niedrigeren Gehaltsstrukturen „gefangen“ bleiben.
2. Transparenz während des Arbeitsverhältnisses:
Arbeitgeber*innen sind nun verpflichtet, die Kriterien für Entgelt und Karriereentwicklung offen und objektiv darzulegen. Zudem haben alle Mitarbeitenden das Recht, Auskunft über die Entlohnung vergleichbarer Gruppen zu erhalten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht.
3. Berichtspflicht:
Große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden müssen jährlich über ihre Entgeltpraxis berichten. Kleinere Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitenden folgen im Dreijahresrhythmus. Wird ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle von mehr als 5 % festgestellt, das nicht objektiv begründet werden kann, sind Maßnahmen zur Angleichung verpflichtend.
4. Sanktionen bei Verstößen:
Unternehmen, die gegen diese neuen Regelungen verstoßen, müssen mit Sanktionen wie Geldbußen rechnen. Dies soll sicherstellen, dass die Richtlinie nicht nur ein Papiertiger bleibt, sondern echte Veränderungen am Arbeitsplatz bewirkt.
5. Ein Blick auf den Gender Pay Gap:
Der Gender Pay Gap in Deutschland lag im Jahr 2022 bei rund 18 %, eine Verbesserung gegenüber 23 % im Jahr 2006 – doch der Fortschritt ist langsam. Diese neue Richtlinie zielt darauf ab, diesen Prozess zu beschleunigen und Ungleichheiten konsequenter zu beseitigen. Für Mitarbeitende bedeutet das konkret, dass sie besser informiert sind und gezielt gegen mögliche Ungleichbehandlung vorgehen können. Unternehmen werden stärker in die Pflicht genommen, gerechte Gehaltsstrukturen zu etablieren und zu verteidigen.
Dies ist eine Gelegenheit für Deutschland, bestehende Gesetze, wie das Entgelttransparenzgesetz, zu überarbeiten und die Empfehlungen aus den Gleichstellungsberichten endlich in die Praxis umzusetzen.
Expertinnen Perspektive
Die Suche nach einer passenden Lösung für die Erfüllung dieser Anforderungen hat uns zu FAIR_solution – und dabei insbesondere das Modul FAIR_pay geführt, einer Softwarelösung von INES Analytics. FAIR_solution unterstützt Unternehmen dabei, Gehaltsdaten diskriminierungsfrei zu analysieren und die geforderten Berichte zu erstellen. Wir haben uns mit Dr. Tanja Schmidt, Mitgründerin von INES Analytics, über die Motivation hinter der Gründung und die Vorteile ihrer Lösung unterhalten.
Tanja, Du hast gemeinsam mit Dr. Verena Tobsch INES Analytics gegründet. Was hat euch damals dazu motiviert, dieses Unternehmen ins Leben zu rufen?
Aus unserer langjährigen Forschung haben wir gesehen, dass faire Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten schon länger ein relevantes Thema für Unternehmen sind, jedoch bisher wenig datenbasierte Hilfsmittel für die Unternehmen vorliegen. Zudem haben wir gesehen, dass einfache Analysen Unternehmen nur bedingt helfen, möglicherweise vorhandene tiefliegende und bereits institutionell verankerte unbewusst diskriminierende Strukturen aufzudecken und anzugehen. Die dafür nötigen Analysen sind nicht trivial und viele Unternehmen haben nicht die Ressourcen, dieses Themenfeld umfassend analytisch und diskriminierungfrei anzugehen. Und unser Gedanke war und ist: Da können wir mit unserer wissenschaftlichen Expertise helfen.
Wie hat sich eure Mission seit der Gründung entwickelt und was ist heute das zentrale Ziel von INES Analytics?
Unsere Mission hat sich seit der Gründung nicht geändert: Unser Ziel ist nach wie vor, mithilfe unserer einfach zu bedienenden, datenbasierten und wissenschaftlich fundierten und diskriminierungfreien Softwarelösung Unternehmen einen schnellen und tiefgehenden und umfassenden Überblick in ihre Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten zu geben und datenbasierte Handlungsoptionen aufzuzeigen.
Wir möchten alle Unternehmen dabei unterstützen, unkompliziert diskriminierungsfreie und faire Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten zu schaffen. Und dies betrifft deren Bezahlung (FAIR_pay) aber auch Karrierechancen (FAIR_career), Arbeitszeiten (FAIR_time) und Weiterbildungsmöglichkeiten (FAIR_training).
FAIR_solution wird als eine Software beschrieben, die diskriminierungsfreie Analysen ermöglicht. Was unterscheidet eure Lösung von anderen auf dem Markt?
Wie bereits erwähnt, basiert FAIR_solution auf wissenschaftlich fundierten Algorithmen, die wir selbst entwickeln, welche einen umfassenden Einblick in alle Handlungsfelder (Pay, Career, Time und Training) bieten. Besonders ist dabei, dass FAIR_solution in allen Analysen das Zusammenwirken und die Abhängigkeiten zwischen diesen Handlungsfeldern berücksichtigt. Beispielsweise hängt die Bezahlung häufig mit Karrierechancen zusammen, welche ihrerseits wiederum mit Arbeitszeiten in Verbindung stehen. Zudem berücksichtigt FAIR_solution nicht nur die Diversitätsdimension Gender, sondern auch Herkunft, Behinderung und Alter sowie alle damit einhergehenden Interdependenzen (Intersektionalitäten). Diese Kombinationen von verschiedenen Handlungsfeldern und gleichzeitig verschiedenen Diversitätsdimensionen ist einzigartig und aus unserer Sicht der einzige Weg, um der komplexen Realität gerecht zu werden. So hängt beispielsweise die Bezahlung mit verschiedenen Handlungsfeldern, Diversitätsdimensionen sowie anderen Merkmalen und insbesondere deren gleichzeitigem Zusammenwirken (Intersektionalitäten) zusammen.
Diese Zusammenhänge die sich häufig über viele Jahre in unternehmensinternen strukturellen (unbewusst diskriminierenden) Bedingungen für die Beschäftigen niederschlagen, werden mit FAIR_solution aufgedeckt.
FAIR_solution zeigt alle Einzelergebnisse, aber auch alle komplexen Ergebnisse auf und erstellt für alle Ergebnisse automatisiert Berichte. Zudem können gesetzlich geforderte Berichte automatisiert erstellt werden. Und zusätzlich geben wir in FAIR_solution datenbasierte Handlungsempfehlungen zu diesen komplexen Ergebnissen und gehen damit weit über übliche ein- oder zweidimensionale Analysen anderer Lösungen hinaus.
Weiterhin ist nur in FAIR_solution eine wissenschaftlich fundierte Bewertung von Tätigkeiten und gleichwertigen Tätigkeiten automatisiert integriert, welche entsprechend der neuen EU-Transparenzrichtlinie relevant und zu berücksichtigen ist. Das heisst, dass Unternehmen, die kein eigenes Bewertungssystem von Tätigkeiten und gleichwertigen Tätigkeiten zur Verfügung haben, dieses mit FAIR_solution mitgeliefert bekommen und direkt verwenden können.
Welche weiteren Vorteile bietet die Zusammenarbeit mit INES Analytics für Unternehmen?
Vor den eigentlichen Analysen unterstützen wir Unternehmen bei der Zusammenstellung und Aufbereitung der relevanten Daten. Dazu stellen wir einerseits Schnittstellen und automatisierte Verfahren für einen unkomplizierten, sicheren Datenupload zur Verfügung. Andererseits helfen wir auch mit unserer langjährigen Expertise bei komplexeren Datenstrukturen.
Unternehmen bekommen mit FAIR_solution – neben den umfassenden Analysen und Ergebnissen –auch sich daraus ableitende konkrete, datenbasierte Handlungsoptionen sowie umfassende automatisierte allgemeine wie auch gesetzlich geforderte Berichte. Zudem bietet FAIR_solution nun alle Ergebnisse, wie sie in der derzeitigen EU-Transparenzrichtlinie gefordert sind, auf Knopfdruck zu erstellen und als XLS-Datei zu exportieren oder aber auch direkt nach Zert:Equal (s.u.) zur Zertifizierung zu übertragen.
Ihr habt eine Förderung vom BMFSFJ erhalten. Für welches Projekt wurde diese Förderung vergeben und wie können Unternehmen davon profitieren?
Das BMFSFJ fördert die Entwicklung von Zert:Equal. Dabei handelt es sich um eine Webanwendung mit der jedes -nach der EU-Transparenzrichtlinie berichtspflichtige Unternehmen- seine zu berichtenden Indikatoren (KPIs) auf sachliche Richtigkeit überprüfen, und vor der Übermittlung an eine noch einzurichtende Monitoringstelle- zertifizieren lassen kann.
Das heisst, jedes Unternehmen und vor allem die verantwortliche Person, die für die berechneten Kennziffern des Unternehmens persönlich haftet, kann damit Sicherheit erlangen, dass alle zu berichtenden Kennziffern rechtskonform und sachlich richtig sind.
Liebe Tanja, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns, dich auch bei unserem nächsten Brain Snack begrüßen zu dürfen, um diese komplexe Thema weiter zu beleuchten:
EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Thema unseres Brain Snacks mit Dr. Tanja Schmidt!
Auch in unserem nächsten 2TOP Brain Snack, einem 15-minütigen, kostenfreien virtuellen Format, das jeden ersten Freitag im Monat auf LinkedIn stattfindet, geht es nächsten Freitag, den 06.09.2024 von 9:00 Uhr bis 9:15 Uhr mit Dr. Tanja Schmidt um die EU-Entgelttransparenzrichtlinie und Lösungsansätze für Unternehmen.
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